"Abenteuer beginnen im Kopf, werden in der Welt lebendig und enden in Geschichten daheim." – Marlene Rybka

Chinesische Kalligrafie und ihre Kunst

Bevor ich nach China kam, gab es ein paar Sachen, die ich während meiner Zeit hier unbedingt ausprobieren wollte. Quasi eine „Bucketlist“ für China. Die chinesische Kalligrafie war eine davon. ✍️ In meiner Vorstellung habe ich mir das zwar eher in einem Gelehrtenzimmer im Tibet vorgestellt, aber ein Klassenzimmer in Hefei hat’s dann am Ende auch getan.🤣 Vorerst, denn eine Reise in den Tibet (gemeinsam mit meiner Schwester🤩 ) steht definitiv ebenfalls auf meiner China-Bucketlist.

Nach über 2 Jahren in China ergab sich dann endlich die Möglichkeit, an einem Kalligrafie-Workshop teilzunehmen und in diese „Kunstrichtung“ reinschnuppern zu können. Was so federleicht aussieht, ist in Wirklichkeit feinste und anspruchsvollste Handarbeit.

Die chinesische Kalligrafie ist eine Kunstrichtung, die in engem Zusammenhang mit der chinesischen Malerei steht. In beiden Künsten werden die gleichen Werkzeuge, die vier Schätze des Gelehrtenzimmers, verwendet: Schreibpinsel, Stangentusche, Reibstein und Papier. Also wurden wir zu Beginn des Kurses mit unserem Equipment ausgestattet.

Anschließend gab es eine kurze Einführung in die Entstehung und Geschichte der chinesischen Kalligrafie. Einer der berühmtesten chinesischen Kalligrafen war Wang Xizhi, dessen Stil nach mehr als einem Jahrtausend (!) heute noch Grundlage des Kalligrafieunterrichts ist. WOW – einem Jahrtausend – wie viel Geschichte schon wieder dahintersteckt. 🫶

Die Kalligrafie wurde als wichtiger Teil der Ausbildung angesehen und sollte auch Rückschlüsse auf die Persönlichkeit ermöglichen. Wáng Xīzhī ersetzte den rechtwinkligen Duktus (was auch immer das ist🤣) durch kursive Linienführung (das ist mir dann schon eher geläufig), die individuelle Gestaltung ermöglicht. Seitdem galt die Kalligrafie in China neben dem Go (ein Brettspiel für zwei Spieler, welches als das komplexeste aller weltweit bekannten Strategiespiele gilt), der Malerei und der Musik als die vierte der klassischen Künste. Und schon wieder habe ich etwas Neues dazugelernt. 😉

Nach der Einführung legten wir dann den Charakter fest, den wir zeichnen wollten. Wir entschieden uns für das Zeichen für Glück. Da sich die chinesische Schrift im Laufe der Zeit weiterentwickelt hat, gibt es oft für das selbe Wort mehrere Zeichen.

Hier auf dem gezeigtem Papier findet ihr auf der rechten Seite die altchinesische und auf der linken Seite die heutige Schrift für ein und dasselbe Wort, bzw. in der chinesischen Schrift genannt Charakter.

Wenn ihr mich fragt, ich sehe da wenig Ähnlichkeit oder Verbindung zwischen den zwei Charakteren, die sich hätten weiterentwickeln können. Für mich sind das zwei völlig unterschiedliche Zeichen, die sich nicht ansatzweise ähneln.🤔 Aber ich bin künstlerisch auch eher weniger begabt. 🙈🤣

Nach der Einführung ging es dann auch schon los. Wir lernten, wie man die Tinte richtig anmischt, welches Verhältnis Farbe und Wasser haben sollte, und die Technik beim Anrühren der Tinte.

Ein ganz wesentlicher Punkt beim Zeichnen der Kalligraphie ist die Haltung des Pinsels. Der Pinsel muss gerade aber leicht angeschrägt gehalten werden, damit er federleicht über das Papier gleiten kann (in der Theorie zumindest ✍️😅).

Als dieser Teil fertig war, durften wir dann unserer künstlerischen Ader freien Lauf lassen und unsere Begabung unter Beweis stellen. Ich muss gestehen, ich war schon etwas aufgeregt. Immerhin ist diese Kunst über tausend Jahre alt und sie anzuwenden, auch wenn nur zum Ausprobieren, hat schon eine gewisse Energie ausgestrahlt. Ich bin zwar kein Esoteriker, aber ich glaube durchaus, dass man durch gewisse Umstände im Leben bzw. Gegebenheiten oder auch Orte, eine Art spirituelle Energie spüren kann. ✨💫

Die nächste Zeit verbrachten wir mit reichlich üben, üben, üben. Bekanntlich ist ja noch kein Meister vom Himmel gefallen, und mein künstlerisches Talent musste erstmal aus dem Tiefschlaf geholt werden. 🙈🤯

Man unterschätzt tatsächlich, wie schwer das ist: man muss genau den richtigen Druck ausüben, im richtigen Moment die Pinselführung ändern, um dann den richtigen Schwung reinzubringen. Es erfordert wirklich viel Konzentration, um halbwegs die Technik dahinter zu verinnerlichen und sie dann auch umsetzen zu können. Da reicht ein Workshop definitiv nicht dafür aus. Nicht grundlos zählt die chinesische Kalligrafie als Kunst.

Nach der Übungsphase durften wir dann das Erlernte auf einer Laterne und einem Fächer verewigen. Was ich wirklich als eine schöne Idee empfand, denn nun erfreue ich mich an einer neuen Erinnerung.

Und besteht unser Leben nicht aus einer Sammlung schöner Momente, die zu Erinnerungen werden? ✨🫶

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