Zugegeben, China war so ungefähr das letzte Land auf dieser Erde, wo ich mich freiwillig gemeldet hätte, dort leben zu wollen. Und dann auch noch Hefei. Ich musste erst einmal „googeln“, wo sich dieser Ort überhaupt befindet. Umso weniger begeistert war ich zu lesen, dass ich in eine chinesische „Kleinstadt“ ziehen soll.
Ich komme ja selbst aus einer Kleinstadt. Und nun soll ich bei so unendlich vielen außergewöhnlichen Großstädten auf dieser Welt, in die nächste „Kleinstadt“ ziehen? In China – am anderen Ende der Welt.
Immerhin hatte die Stadt Hefei im Jahr 2020 9.369.881 Einwohner und ist die Hauptstadt der chinesischen Provinz Anhui. (https://de.wikipedia.org/wiki/Anhui)
Dennoch, Kleinstadt bleibt Kleinstadt. 😉

Hätte es nicht Spanien, USA oder auch Mexiko sein können? Aber gut, im Leben soll man ja bekanntlich jede gute Chance ergreifen, die das Leben einem bietet. Somit steht es fest: wir ziehen nach Hefei.
Und wisst ihr was? Das war die beste Entscheidung meines Lebens. Naja… hinterher ist man ja immer schlauer. 🫡
Während die Vorbereitungen auf Hochtouren liefen, stieg täglich auch die Anspannung. Wenn man glaubt, die deutsche Bürokratie sei kompliziert oder stehe dem Fortschritt im Wege, der hat noch nie mit chinesischen Behörden zusammenarbeiten müssen.
Erste Lektion der Zusammenarbeit mit China: Hinterfrage nichts, verabschiede Dich von den W-Fragen (warum, wieso, weshalb?) und erledige einfach das, was von dir gefordert wird.
- Vorbereitungen abgeschlossen
- Container auf die große Reise geschickt
- 14-tägige Home-Quarantäne in Deutschland (von der chinesischen Regierung aufgezwungen)
- 3 aufeinander folgende PCR-Tests
- Familien beruhigt und versichert, man wüsste genau, worauf man sich da einlässt (zugegeben 🤯🙃, diese Frage haben wir uns selbst täglich mehrfach gestellt. Denn natürlich wusste keiner von uns, worauf man sich da wirklich einlässt. Woher denn auch? 🤷♀️🤷♀️)
- Familie und Freunde verabschiedet
- Koffer gepackt und Wohnung hinter sich abgeschlossen
Am 29. April 2022 startete dann das Abenteuer. Mit 11 Koffern und sehr vielen Dinos im Bauch, ging es auf die Autobahn Richtung Frankfurter Flughafen. Auf dem Weg mussten wir noch einen letzten „Green Code“ erhalten, denn ohne den hätten wir nicht in den Flieger steigen dürfen. Natürlich haben 3 PCR-Tests und die 14-tägige Quarantäne nicht ausgereicht, um sicherzustellen, dass wir negativ sind. Wir mussten am Tag der Abreise noch einen letzten Test in Wolfsburg machen und das Ergebnis anschließend online hochladen, um den „Green Code“ zu erhalten. Falls ihr euch daran noch erinnern könnt: die Ergebnisse kamen erst zwischen 1 – 4 Stunden später. Wir mussten allerdings einen Flieger in Frankfurt erreichen, also sind wir auf „gut Glück“ losgefahren.
Wenn der Umzug nach China an sich nicht schon nervenaufreibend genug gewesen wäre, so hat diese gesamte Covid-Situation dem Ganzen noch die fehlende Würze gegeben.
Auf halber Strecke kam dann endlich die Erleichterung: wir haben den „Green Code“!!! Dieses Abenteuer wird Wirklichkeit – es gibt kein zurück mehr! Ich glaube, in dem Moment war es eine Mischung aus kurzer Enttäuschung und Heimweh gemischt mit Panik, denn die Tränen flossen von selbst.
Ich bin ja ehrlich, es gab schon einige Momente während der Vorbereitung, wo ich mir insgeheim gewünscht habe, es gäbe einen Grund diese Reise absagen zu müssen. Man war ja doch gesteuert durch die Medien und wir hatten wirklich keine Ahnung, was uns durch die Pandemie in diesem fremden Land erwarten würde.
Zum Glück haben wir während der Vorbereitung bereits Anschluss gefunden und Freundschaften geschlossen. Wie das Leben manchmal so spielt, haben wir ein Pärchen kennengelernt, wo die Chemie so gut gepasst hat, dass man gleich das Gefühl hatte, dieses Abenteuer mit Freunden zu beginnen. Und gemeinsam lässt sich immer alles besser bewältigen. 😍❤️
Am Flughafen dann der erste Schock. Der letzte PCR-Test wurde falsch beschriftet. Mein Mann kann nicht fliegen! Wer schon mal in China war kennt das sicherlich, es gibt da klare Vorgaben und kein Spielraum für Abweichungen. Egal ob die Richtlinien Sinn ergeben oder völlig am Thema vorbei sind. Daher, falsch beschrifteter Test, keine Einreise nach China. Dass das Ergebnis „negativ“ lautet, ist erstmal unwichtig. Nach vielen Telefonaten und Schweißperlen, hat uns das Testzentrum in Wolfsburg per Email dann das richtig beschriftete Formular geschickt und wir durften endlich in den Flieger steigen. Als die Flugbegleiterin fragte ob ich was trinken möchte, war die Antwort ziemlich klar. Egal was, Hauptsache Alkohol. Meine Nerven waren am Ende. 🍾🍸🍷😥

Und dann saß ich da in meinem Sitz und plötzlich flossen sehr viele Tränen der Emotionen. Ich glaube wir haben fast den ganzen Flug kaum ein Wort miteinander gewechselt, denn jeder war mit seiner eigenen Gefühlswelt und eigenen Emotionen beschäftigt.
14 Stunden können lang werden, vor allem mit der Ungewissheit, was uns dort wohl erwarten wird? Aufgrund der politischen Situation durften wir nicht über Russland fliegen, und so zog sich dieser Flug und die Aufregung war kaum noch zu ertragen. Ich bin ja grundsätzlich kein Freund von Spekulationen und gehe immer ohne Vorurteile an Sachen im Leben ran… aber diese Situation hat selbst mir etwas Unbehagen bereitet.
14 Stunden und unendlich viele Gedanken später – endlich gelandet. Wir werden für den Ausstieg vorbereitet. Eine Maske hat natürlich nicht ausgereicht. Wir mussten zwei Masken übereinander tragen und durften dann, nach Gruppen aufgeteilt, das Flugzeug verlassen. Draußen wurden wir dann von einer Besatzung in Empfang genommen, die stark an den Film „Contagion“ erinnerte. Es hatte tatsächlich etwas von einer Endzeit-Stimmung. Man hat nur darauf gewartet, dass das Armageddon jede Minute ausbrechen würde. Die Luft vor uns (und damit meine ich wirklich unsere Luft zum Einatmen) wurde mit Hochdruckstrahlern desinfiziert, was bei mir als Asthmatikerin natürlich zu Hustenanfällen geführt hat. Allerdings wollte ich irgendwie lieber ersticken als zu Husten, um nicht zu riskieren, in einen „Zentrallager“ abgeführt zu werden. Denn zu dieser Zeit wurde man bei den ersten Symptomen direkt ohne Chance auf Gegenwehr abgeführt und in Quarantäne gesteckt. Unsere Koffer wurden vom Entgegennehmen bis zum Ausgang ganze sieben Male (!) desinfiziert. Aber endlich haben wir es geschafft – Exit… das letzte Mal ein Hauch von frischer Luft schnappen und rein in die Busse.

Die Fahrt zum Hotel war ein Erlebnis für sich. Der gesamte Bus war mit Plastiktüten beklebt, als würde sich gleich ein Serienkiller austoben dürfen und dann einfach die Plastiktüten zusammenrollen und alle Leichen darin beseitigen. Es hatte irgendwie etwas von Dexter – falls jemand die Serie kennt. Alles wirklich sehr skurril.



Im Hotel angekommen, wurden wir dann von den „Minions“ ☠️ in Empfang genommen. Vermummte Menschen in Plastikanzüge mit Desinfektionsstrahler in der Hand, bereit, uns von unseren Sünden zu erlösen.


Nachdem wir und unsere Koffer erneut desinfiziert wurden 😶🌫️🙈 , hat man uns Plastikanzüge ausgehändigt. Nach einem schnellen check-in kam dann die echte Herausforderung. Von da an stieg die Panik in meinen Augen. Jetzt wirst Du eingesperrt und egal was passiert: hier holt dich keiner raus! Keine Eltern, keine Freunde und auch keine Behörde!
Bye Bye Freiheit, für die nächsten 28 Tage.


